Zitate

Der Einzelne und die Gesellschaft

O Sohn des Geistes!
Von allem das Meistgeliebte ist Mir die Gerechtigkeit. Wende dich nicht ab von ihr, wenn du nach Mir verlangst, und vergiß sie nicht, damit Ich dir vertrauen kann. Mit ihrer Hilfe sollst du mit eigenen Augen sehen, nicht mit denen anderer, und durch eigene Erkenntnis Wissen erlangen, nicht durch die deines Nächsten. Bedenke im Herzen, wie du sein solltest. Wahrlich, Gerechtigkeit ist Meine Gabe und das Zeichen Meiner Gnade. So halte sie dir vor Augen.
Bahá’u’lláh, Verborgenen Worte, Arabisch 2

Wenn auch die Bedingungen von Land zu Land…unterschiedlich sind, …gibt es doch gewisse grundlegende Konzepte, die alle berücksichtigen sollten. Das eine ist der zentrale Einfluss, den Wissen auf das soziale Leben ausübt. Unwissenheit fortbestehen zu lassen ist die schlimmste Form der Unterdrückung; es verstärkt die vielen Mauern des Vorurteils, die als Barrieren vor der Verwirklichung der Einheit der Menschheit stehen – zugleich Ziel und Wirkungsprinzip von Bahá’u’lláhs Offenbarung. Der Zugang zu Wissen ist das Recht eines jeden Menschen, und mitzuhelfen, Wissen zu generieren, anzuwenden und zu verbreiten ist eine Verantwortung, die alle schultern müssen in dem großen Unternehmen, eine blühende Weltzivilisation aufzubauen – wobei jeder seine oder ihre eigenen Talente und Fähigkeiten einsetzt. Gerechtigkeit erfordert universelle Teilhabe.
Das Universale Haus der Gerechtigkeit, Ridván 2010

…nämlich dass der Fortschritt durch die Entwicklung von drei Beteiligten erreicht wird — dem Einzelnen, den Institutionen und der Gemeinde. Während der gesamten Menschheitsgeschichte war das Zusammenspiel dieser drei auf Schritt und Tritt mit Schwierigkeiten belastet: mit dem Verlangen des Einzelnen nach Freiheit, der Forderung der Institutionen nach Unterordnung und dem Anspruch der Gemeinde auf den Vorrang. Jede Gesellschaft hat auf die eine oder andere Weise die Beziehungen, welche die drei aneinander binden, festgelegt und so Zeiten der Stabilität hervorgerufen, durchwirkt von Aufruhr. Heute, in diesem Zeitalter des Übergangs, da die Menschheit um ihre kollektive Reife kämpft, werden solche Beziehungen — nein, allein schon die Vorstellung vom Einzelnen, von den gesellschaftlichen Institutionen und der Gemeinde — weiterhin von unzähligen Krisen heimgesucht. Die weltweite Autoritätskrise liefert einen hinreichenden Beweis. So schwerwiegend wurde Autorität missbraucht und verletzt, und so tief ist das Misstrauen und die Feindseligkeit, die sie nun hervorruft, dass die Welt zunehmend unregierbar wird — eine Situation, die durch die Schwächung von Gemeinschaftsbanden noch gefährlicher wird.
Jeder Anhänger Bahá’u’lláhs weiß wohl, dass es der Zweck Seiner Offenbarung ist, eine neue Schöpfung hervorzubringen. „Kaum war … der Erste Ruf Seinen Lippen entströmt, da war die ganze Schöpfung umgewälzt; alle in den Himmeln und alle auf Erden wurden bis tief ins Herz aufgewühlt.“ Der Einzelne, die Institutionen und die Gemeinde — die drei Protagonisten des göttlichen Plans — werden unter dem unmittelbaren Einfluss Seiner Offenbarung geformt, und eine neue Auffassung jeder der drei ist im Entstehen begriffen in einer für eine Menschheit angemessenen Weise, die die Reife erlangt hat. Die Beziehungen, die sie verbinden, durchleben ebenfalls eine tiefgreifende Wandlung und bringen dabei Kultur stiftende Kräfte ins Reich des Daseins, die nur durch Übereinstimmung mit Seinem Gebot freigesetzt werden können. Auf grundlegender Ebene sind diese Beziehungen gekennzeichnet durch Zusammenarbeit und Wechselseitigkeit – Ausdruck der Vernetzung, die das Universum regiert. Also betrachtet sich der Einzelne ungeachtet seines „persönlichen Nutzens und eigensüchtigen Vorteils“ als einen „Diener Gottes, des Allbesitzenden“, dessen einziges Verlangen es ist, Seine Gesetze zu befolgen.
Das Universale Haus der Gerechtigkeit, 28.12.2010

Die politische Welt ist wie die des Menschen: Dieser ist am Anfang nur Same und schreitet dann stufenweise zum Zustand des Embryos und Foetus, wobei er ein Knochengerüst erhält, mit Fleisch umgeben wird und seine eigentliche Gestalt annimmt, bis er schließlich die Stufe erreicht, auf der er schicklich das Wort erfüllt: »… der erhabenste der Schöpfer«. Dies ist ein Erfordernis der Schöpfung und in der Weisheit des Allumfassenden begründet. In gleicher Weise kann sich deshalb auch die politische Welt nicht plötzlich vom Nadir der Zerrüttung zum Zenith der Rechtlichkeit und Vollkommenheit entwickeln. Befähigte Persönlichkeiten müssen sich vielmehr Tag und Nacht bemühen und alle Mittel, die zum Fortschritt führen, anwenden, damit sich Regierung und Volk Stufe um Stufe entwickeln, Tag für Tag, ja Stunde für Stunde.
‘Abdu’l-Bahá, Das geheimnis göttlicher Kultur